Bei der Beantwortung der Fragen eins und zwei wurde bereits auf mehrere Rechtstexte Bezug genommen, die Regeln enthalten, unter welchen Umständen die Genehmigung für Rüstungsexporte versagt werden soll oder muss.
Folgende Tabelle zeigt, welche Gesetze, Verordnungen und Grundsätze dabei den Export welcher Güter regeln:
Dual-Use Güter | Rüstungsgüter (außer Kriegswaffen) |
Kriegswaffen | ||
---|---|---|---|---|
Gesetze | Grundgesetz | • | ||
Kriegswaffenkontrollgesetz | • | |||
Außenwirtschaftsgesetz | • | • | • | |
Außenwirtschaftsverordnung | • | • | • | |
EU-Dual-Use-Verordnung | • | |||
(verbindliche) Leitlinien |
Politische Grundsätze | • | • | • |
Gemeinsamer Standpunkt GASP | • | • | • |
Das Grundgesetz befasst sich nur in Artikel 26 (2) explizit mit Rüstungsexporten und besagt:
„Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“
Das Grundgesetz behandelt nur den Export von Kriegswaffen im engeren Sinne; der Export von Rüstungsgütern und Dual-Use Gütern ist von der Regelung nicht betroffen. Grundsätzlich lässt das Grundgesetz Rüstungsexporte zu und verbietet sie nicht, es verlangt jedoch nach einer Kontrolle mittels Genehmigungen. Entsprechend der im zweiten Satz enthaltenen Anforderung wurde zu diesem Zweck das Kriegswaffenkontrollgesetz erlassen.
Das Kriegswaffenkontrollgesetz (amtlich: Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes) bildet den gesetzlichen Rahmen für Herstellung, Handel und Transport von Kriegswaffen.
§ 2 des Kriegswaffenkontrollgesetzes schreibt vor, dass es für jede Handlung in Bezug auf Kriegswaffen (auch für den Export) stets einer Genehmigung bedarf. Dabei ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie für die Erteilung dieser Exportgenehmigungen federführend zuständig (§ 11 (2) 4).
Das Kriegswaffenkontrollgesetz legt in § 6 fest, wann das Wirtschaftsministerium den Export von Kriegswaffen verbieten muss. Exporte dürfen nicht genehmigt werden, wenn „die Gefahr besteht“, dass die gelieferten Waffen „bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg“ verwendet werden (§ 6 (3) 1). Dieser Satz wird von einigen Rüstungsexportkritikern so verstanden, dass Lieferungen von Kriegswaffen in Krisengebiete generell verboten wären. Eine so weite Folgerung ist dem Wortlaut des Gesetzes aber nicht zu entnehmen.
Ebenfalls dürfen Kriegswaffen dann nicht exportiert werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass dies die Erfüllung von Deutschlands völkerrechtlicher Pflichten gefährden würde oder die Käufer nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen.
Der Wortlaut des Kriegswaffenkontrollgesetzes lässt dem Wirtschaftsministerium bei der Einzelfallentscheidung einen gewissen Ermessensspielraum. Diesen muss es auch geben, damit selbst in neuen, bisher unbeschriebenen Situationen Entscheidungen getroffen werden können. Innerhalb dieses Ermessensspielraums schreiben die Politischen Grundsätze vor, wonach der Einzelfall abzuwägen ist.
Eine erteilte Genehmigung für den Export von Kriegswaffen kann jederzeit widerrufen werden. Die Bundesregierung gewährleistet so die durchgehende Kontrolle von Kriegswaffenexporten auch angesichts sich verändernder Umstände.
Das Kriegswaffenkontrollgesetz schreibt den Exporteuren von Kriegswaffen vor, dass diese ein sogenanntes Kriegswaffenbuch führen müssen, „um den Verbleib der Kriegswaffen nachzuweisen“. Zusätzlich müssen die Firmen geeignete Maßnahmen ergreifen, „um zu verhindern, dass die Kriegswaffen abhandenkommen oder unbefugt verwendet werden“ (§ 12 (1) und (2)). Bei Ausfuhren wird zusätzlich eine Erklärung über den Endverbleib gefordert.
Die Politischen Grundsätze wurden im Januar 2000 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung beschlossen und gelten seitdem unverändert. Sie enthalten deutlich konkretere Regelungen zum Export von Kriegswaffen, Rüstungsgütern, und Dual-Use Gütern, als die Gesetzestexte und dienen daher insbesondere dann als Orientierung, wenn der gesetzliche Rahmen einen gewissen Ermessensspielraum lässt.
Obwohl die Politischen Grundsätze keine Gesetze sind, entfalten sie eine Selbstbindungswirkung gegenüber der Regierung. Sie gelten somit verbindlich für alle staatlichen Stellen, die über Rüstungsexportgenehmigungen entscheiden.
Als grundsätzlichen Rahmen legen die Politischen Grundsätze fest, dass Deutschland seine Rüstungsexportpolitik restriktiv gestalten, den Export am „außenpolitischen Interesse“ Deutschlands orientieren und durch die Kontrolle der Exporte einen Beitrag zur Sicherung des Friedens leisten will. Dabei gilt für alle Rüstungsexporte, dass „der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungsland … besonderes Gewicht beigemessen“ wird und eine Exportgenehmigung „grundsätzlich nicht erteilt [wird], wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression … oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden“ (Absatz I (2) und (3)). Somit findet über die Politischen Grundsätze eine Abwägung der Menschenrechtslage im Empfängerland Eingang in jedes Exportgenehmigungsverfahren.
Je nach Empfängerland legen die Politischen Grundsätze unterschiedliche Exportregeln fest:
Zum Einen gelten für NATO-Länder, EU-Mitgliedstaaten oder der NATO-gleichgestellte Länder (Australien, Neuseeland, Japan und Schweiz), dass der Rüstungsexport in diese Länder „grundsätzlich nicht zu beschränken [ist], es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist“ (Absatz II (1)). Exportanträge in diese Länder werden also meist genehmigt. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass Deutschland mit diesen Ländern eine Verteidigungs- und Wertegemeinschaft bildet und Rüstungsexporte in diese Länder helfen sollen, die gemeinsame Sicherheit zu wahren.
Im Gegenteil hierzu gilt für alle anderen Staaten, dass Rüstungsexporte in diese Länder restriktiv gehandhabt werden. Dies bedeutet konkret, dass der Export von Kriegswaffen grundsätzlich nicht genehmigt wird, „es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitischen Interessen [Deutschlands] … ausnahmsweise … [für die] Genehmigung sprechen“ (Absatz III (2)). Es müssen also besondere Gründe vorliegen, die den Export von Kriegswaffen doch ausnahmsweise rechtfertigen.
Die Politischen Grundsätze stellen also sehr deutlich klar, dass Rüstungsexporte in Drittländer eine Ausnahme sind. Zudem darf die Entscheidung für eine Exportgenehmigung explizit nicht vornehmlich aus wirtschaftlichen Interessen getroffen werden.
Diese restriktiven Exportregeln werden durch weitere Vorschriften ergänzt. So muss der Rüstungsexport in dritte Länder versagt werden, „wenn die innere Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht“. Explizit verboten ist daher der Export in ein Land im Bürgerkrieg, das in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt ist oder zu werden droht, oder wenn durch den Export bestehende Spannungen „ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden“ (Abschnitt III (4) und (5)). Insofern trägt die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung über Rüstungsexporte explizit auch der internen Situation des Empfängerlands Rechnung.
Zuletzt ist in den Politischen Grundsätzen festgeschrieben, dass Rüstungsexporte grundsätzlich nur genehmigt werden, wenn deren Endverbleib im Empfängerlauf sichergestellt ist - etwa durch eine „entsprechende schriftliche Zusicherung des Endempfängers“. Für den Export von Kriegswaffen verlangt Deutschland vom Empfängerland zusätzlich sogar ein Reexportverbot mit Erlaubnisvorbehalt: die Kriegswaffen dürfen dann „nur mit dem schriftlichen Einverständnis der Bundesregierung in dritte Länder“ weiterverkauft werden (Abschnitt IV (3)). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass deutsche Rüstungsgüter und Kriegswaffen nicht in andere Hände geraten, als bei der Genehmigung vorgesehen.
Die Politischen Grundsätze sind inhaltlich sehr eng angelehnt an den Gemeinsamen Standpunkt der EU, oder gehen über dessen Regelungen sogar hinaus. Wenn die Politischen Grundsätze strengere Regeln als der EU-Verhaltenskodex vorschreiben, haben diese strengeren Regeln den Vorrang (Absatz I (1)).
Zusammenfassend gehen die Regelungen der politischen Grundsätze deutlich über den gesetzlichen Rahmen hinaus. In den Gesetzen nur angeschnittene Themen – beispielsweise der Endverbleib – werden in den Politischen Grundsätzen vertieft und konkretisiert. Mithilfe der Politischen Grundsätze wird der Ermessensspielraum im Sinne einer restriktiven Rüstungsexportpolitik genutzt.
Der Gemeinsame Standpunkt (offiziell: Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern) ist eine Fortentwicklung des EU-Verhaltenskodex für Waffenexporte von 1998. Er soll einen gemeinsamen Mindeststandard aller EU-Mitgliedstaaten beim Rüstungsexport gewährleisten. Zu diesem Zweck schreibt der Gemeinsame Standpunkt acht Kriterien vor, anhand derer über die Genehmigung von Rüstungsexporten in Drittstaaten entschieden werden soll.
Diese Kriterien – Achtung der Menschenrechte und des Völkerrechts durch den Empfängerstaat, Gefahr des Missbrauchs, etwa für einen Angriffskrieg oder für Angriffe gegen befreundete Truppen - sind in identischer Form auch in den Politischen Grundsätzen enthalten und werden daher nicht noch einmal einzeln erläutert. In mehreren Fällen bleibt der Gemeinsame Standpunkt sogar hinter den geltenden deutschen Bestimmungen zurück: beispielsweise beschreibt Artikel 2 (2) a, dass eine Exportgenehmigung nicht erteilt werden darf, „wenn eindeutig das Risiko besteht, dass die … Militärgüter … zur internen Repression benutzt werden könnten“. Dies ist deutlich schwächer als die in den politischen Grundsätzen enthaltene Regel, wonach schon ein hinreichender Verdacht in einem solchen Fall zur automatischen Ablehnung des Exports führt.
Die Anwendung der Regeln des Gemeinsamen Standpunkts wird in Deutschland bereits durch die Politischen Grundsätze garantiert. Der Gemeinsame Standpunkt ist dennoch ein wichtiges Instrument, das sicherstellt, dass auch die anderen EU-Mitgliedstaaten ebenso strenge Regeln bei der Rüstungsexportkontrolle anwenden, wie Deutschland sie bereits eingeführt hat.
Da aber das Kriegswaffenkontrollgesetz die spezielleren Regeln für Kriegswaffenexporte enthält, gilt das Außenwirtschaftsgesetz insbesondere als Regelwerk für den Export von sonstigen Rüstungsgütern und Dual-Use Gütern.
Grundsätzlich gilt nach § 1 (1) 1, dass der Außenwirtschaftsverkehr frei ist. Allerdings kann der Export beschränkt werden, insbesondere dann, wenn es sich um „Waffen, Munition und sonstige Rüstungsgüter“ handelt (§ 5 (1)).
Das Außenwirtschaftsgesetz enthält ausschließlich Regeln, wann der Rüstungsexport verboten werden kann, aber keine Pflichten, wann der Export versagt werden muss. Nach § 4 darf der Rüstungsexport aus folgenden Gründen eingeschränkt werden:
Zusätzlich beziehen die staatlichen Stellen bei der Genehmigungsentscheidung weitere Punkte, beispielsweise die Beachtung der Menschenrechte durch den Empfängerstaat, mit ein.
Grundsätzlich müssen Genehmigungen erteilt werden, wenn der Export der Rüstungsgüter die genannten Kriterien „nicht oder nur unwesentlich gefährdet“ (§ 8).
Das Außenwirtschaftsgesetz sieht mehrjährige Freiheitsstrafen vor, wenn die Genehmigungspflicht bei Dual-Use Gütern oder sonstigen Rüstungsgütern willentlich umgangen oder ein abschlägiger Bescheid vorsätzlich missachtet wird.
Die Außenwirtschaftsverordnung (offiziell: Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes) setzt das Außenwirtschaftsgesetz um. Sie enthält keine Regeln, unter welchen Umständen das BAFA eine Genehmigung versagen muss oder kann, sondern beschreibt nur detailliert, für welche Güter eine Genehmigung prinzipiell erforderlich ist. Zu diesem Zweck benennt die ihr angehängte Ausfuhrliste alle genehmigungspflichtigen Güter, inklusive der Dual-Use Güter, Rüstungsgüter und Kriegswaffen.
Wie bereits der Name erkennen lässt, regelt die EG-Dual-Use-Verordnung (offiziell: Verordnung (EG) Nr.428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck), unter welchen Umständen der Export von Dual-Use Gütern nicht genehmigt werden sollte.
Ziel der Verordnung ist es, eine einheitliche Genehmigungspraxis aller EU-Mitgliedstaaten zu erreichen. Die Verordnung legt insbesondere fest, dass bei der Genehmigung von Dual-Use Güterexporten darauf geachtet werden muss, dass internationale Vereinbarungen zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen, nuklearen, chemischen oder biologischen Waffen und ihren Trägersystemen gewahrt bleiben. Ebenso dürfen genehmigte Exporte Sanktionen und Embargos der EU, der OSZE oder der UNO nicht verletzen. Auch sollten Exporte nicht genehmigt werden, wenn Zweifel über die tatsächliche Endverwendung der Güter bestehen. Zuletzt verweist die Verordnung auf die im Gemeinsamen Standpunkt enthaltenen Regeln zum Rüstungsexport.
Die Verordnung gibt grundlegend vor, welche Ziele mit der Exportkontrolle erreicht werden sollen: Einhaltung von Sanktionen und Nichtverbreitung bestimmter Waffenarten. Sie überlässt es aber den ausführenden nationalen Stellen, zu entscheiden, ob ein konkreter Ausfuhrantrag diese Ziele gefährden würde.
Die Rechtstexte schreiben abstrakt vor, anhand welcher Grundsätze über die Erteilung von Rüstungsexportgenehmigungen entschieden werden muss. Allerdings legen die enthaltenen Regeln nicht für jeden konkreten Fall im Voraus fest, wie entschieden werden muss, sondern die Genehmigung von Rüstungsexporten ist letztlich immer eine politische Entscheidung. Dabei behandelt die Bundesregierung jedes Vorhaben als Einzelfall.